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Menis Koumandareas wurde 1931 in Athen geboren. Er begann schon früh zu schreiben, verdiente seinen Lebensunterhalt aber zunächst bei Versicherungsagenturen und Reedereien. Seine erste Veröffentlichung, der Erzählband „Ta michanákia“ (Ü: Die Mofas), wurde 1962 zum Ausgangspunkt für ein umfangreiches und vielfach prämiertes Prosaoeuvre, das in sechs europäische Sprachen übersetzt worden ist. 1972 erhielt der Grieche, der sich auch als Übersetzer von Autoren wie Poe, Hemingway oder Faulkner hervorgetan hat, ein Stipendium des DAAD Berlin. 

Koumandareas gilt als der führende Vertreter des sozialen Realismus in der griechischen Prosa. Den szenischen Hintergrund seiner Geschichten bildet meist Athen, die Heimatstadt, die der Autor stets ungern und nur für kurze Zeit verlassen hat. Sein Thema sind die Jungen ohne Hoffnung, die Scheiternden am Rande einer verrohten bürgerlichen Gesellschaft. Seine Sprache ist schlicht und präzise, seine realistische Erzählweise lässt jedoch auch lyrische und elegische Elemente anklingen.

Koumandareas bezieht mit seinen Werken nicht nur Stellung gegen das regressive Kleinbürgertum, sondern auch gegen jede Form staatlicher Willkür, was ihm in den Jahren der griechischen Militärdiktatur von 1967 bis 1974 erhebliche Schwierigkeiten eingebracht hat. Der Mitverfasser der „18 Texte“, mit denen sich griechische Schriftsteller gegen die Gleichschaltung durch die Obristen verwahrten, wurde im Zusammenhang mit seinen 1966 erschienenen Chroniken „To arménisma“ (Ü: Der Segeltörn) mehrfach vor Gericht zitiert, schließlich aber vom Vorwurf der Obszönität freigesprochen. Sein unter den Eindrücken jener Zeit entstandenes Romandebüt „Viotechnía jalikón“ (dt. „Glasfabrik“, 1985) erschien ein Jahr nach dem Sturz der Diktatoren und wurde mit dem ersten nach dem Ende der Junta verliehenen Griechischen Staatspreis (1976) ausgezeichnet.

Mit dem Griechenland der sechziger Jahre beschäftigt sich auch der 1982 erschienene Roman „O oräos lochagós“ (dt. „Der schöne Hauptmann“), der im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2001 mit dem neu geschaffenen Blue Book Preis zur Förderung griechischer Literatur ausgezeichnet und ins Deutsche übersetzt wurde. Er erzählt von der subtil homoerotisch angelegten Begegnung eines alternden Richters mit einem jungen Hauptmann, der vor dem Verwaltungsgericht seine Beförderung einklagen will. Der Roman entwirft eine diffuse, in ihrer Repressivität und Bedrohlichkeit an Kafkas „Prozeß“ erinnernde Szenerie, vor der der beharrliche Hauptmann zusehends zerfällt und so zum Symbol für eine Jugend wird, die vergeht, ohne gelebt worden zu sein.

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Im Deutschen liegen vor: Mein fantastischer Frisiersalon. Hainholz Verlag. Göttingen 2002. 326 S.

Der schöne Hauptmann. Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2001. 218 S.

Die Spielautomaten. In: Erkundungen. 24 griechische Erzähler. Volk und Welt, Berlin 1977.

Heiliger Sonntag am Felsen. In: Die Exekution des Mythos fand am frühen Morgen statt. (Hrsg.: Danae Coulmas), Romiosini, Köln 1984.

Glasfabrik. Edition Erpf, Bern 1985.

Das Bad. In: Griechische Erzählungen des 20. Jahrhunderts. Insel, Frankfurt a. M. 1991.