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Jorgos Skambardonis wurde 1953 in Thessaloniki geboren, wo er Französische Philologie studierte. Er war als freier Journalist im Bereich von Presse, Funk und Fernsehen tätig und hat Drehbücher für TV-Filme und Kinofilme verfaßt. Über eine Mitarbeit bei den meisten griechischen Literaturzeitschriften hinaus hat er eigene Zeitschriften herausgegeben. Derzeit ist er in Thessaloniki Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Panselinos“, einer Beilage der Sonntagsausgabe der Zeitung „Makedonia“.

Skambardonis, der als Schriftsteller erst 1989 in Erscheinung trat, fiel vor allem durch seine Kurzprosa auf, die einen großen Teil seines Werkes ausmacht und zu einem Teil ins Deutsche übersetzt ist (dt. „Der Staatsanwalt im Nebel“, 1998). Die meisten der atmosphärisch dichten Erzählungen spielen sich in der Heimat des Autors ab, in Thessaloniki und seiner weiteren Umgebung bis hin zum Berg Athos, und werden mit ihren eigenbrötlerischen, skurrilen Helden und dem häufigen Umkippen in einen imaginären Bereich – in Erinnerung, Traum oder Übersinnliches – als moderne Version des poetischen Realismus in der Nachfolge von Alexandros Papadiamantis gedeutet. Der Schwenk in der Handlung führt oft nicht nur in die persönliche Vergangenheit, sondern auch in eine halbvergessene Volkstradition, deren Spuren das moderne urbane Leben weitgehend weggespült hat, ein Thema, das den Autor nachhaltig beschäftigt. Einflüsse der Kurzprosa lassen sich auch in Skambardonis’ Romanen beobachten: Wie vor einer Kamera sitzend erzählt eine Frau aus Nordgriechenland in dem Buch „Jernáo epitichós“ (2000; Ü: Ich komme erfolgreich ins Alter)  von der Bitterkeit eines unbedeutenden Lebens, das vorübergegangen ist, ohne daß man es richtig wahrgenommen hat. Unter Aufgabe der chronologischen Ordnung setzen sich ausschnittartige Rückblenden zum flüchtigen, fragmentarischen Bild einer Existenz aus Bruchteilen zusammen und überraschen mit grellen Realitätsüberschreitungen, die wie psychische Fluchtbewegungen wirken. Das Buch wurde vom Autor zum Theaterstück umgeschrieben und mit großem Erfolg aufgeführt. Der zweite Roman, „Ouzeri Tsitsanis“, ein griechischer Bestseller, zeichnet in nahezu filmischem Verfahren ein beklemmendes Bild der Stadt Thessaloniki in den Jahren der deutschen Besatzung und Judenverfolgung. Doch in erster Linie wird ein Licht auf das Leben des großen Rembetiko-Künstlers Vassilis Tsitsanis und die volkstümliche Subkultur Griechenlands geworfen. Die scheinbar unbekümmerte Kreativität des Musikers bildet die Gegenwelt zu dem übrigen Leben, in dem Angst, Hunger, Verfolgung und Tod herrschen. Auch hier beschränkt sich Skambardonis auf eine begrenzte Handlungsführung und setzt den dialog- und personenreichen Text aus heterogenen Sequenzen zusammen, die auch dokumentarisches Material und surrealistische Momente enthalten und ganz aus der Stimmung leben.

Birgit Hildebrand

© internationales literaturfestival berlin