Tullia Santin:
Der Holocaust in den Zeugnissen griechischer Jüdinnen und Juden

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 70.000 Jüdinnen und Juden in Griechenland – rund 50.000 davon in Thessaloniki, das als das Jerusalem des Balkans galt. 1941 wurde das Land, nachdem der italienische Angriff gescheitert war, von der Wehrmacht eingenommen. Die ersten Deportationen begannen im Frühjahr 1943, der letzte Zug erreichte Auschwitz am 16. August 1944. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden 58.885 griechische Jüdinnen und Juden gewaltsam umgebracht.

Eingebettet in die internationale Holocaustliteratur untersucht Tullia Santin auf der Basis von zwanzig autobiographischen Erinnerungen soziologische sowie psychologische Ursachen und Hintergründe für das Verhalten der Verfolgten während des Holocaust. Wie bildete sich im Wandel der Zeit ihre Identität zwischen den beiden Polen „griechisch“ und „jüdisch“ heraus? Wie nahmen sie ihre Verfolgung während des Holocaust wahr und verarbeiteten diese für sich? Inwiefern hatten Herkunftsland bzw. Assimilation Einfluss auf das (Über)Leben? Wie nahmen die Opfer die Täter wahr? Die Autorin kommt zu dem überraschenden Schluss, dass Nationalität und Heimatverbundenheit das Denken und Handeln in Zeiten der Verfolgung und Haft maßgeblich beeinflussten.

Auf dem Podium und mit den Gästen diskutieren:
Dr. Mona Körte
(Zentrum für Antisemitismusforschung, TU), Prof. Dr. Hagen Fleischer (Lehrstuhl Neuere und Neueste Geschichte, Schwerpunkt Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs, Universität Athen und Kreta), Prof. Dr. Norbert Simon (Verleger Duncker & Humblot), Dr. Tullia Santin (Autorin).